Bei einer Preisverhandlung mit einem Großkunden präsentierte der Einkäufer folgendes Argument: "Ein einheitlicher Faktor für alle Qualifikationsstufen ist fair, weil über die höheren Löhne der besser qualifizierten Mitarbeiter ja auch automatisch ein höherer absoluter Deckungsbeitrag erzeugt wird."
Er hatte offenbar die folgende Rechnung im Kopf. Wenn mit Faktor 1,6 die direkten Lohnkosten abgedeckt sind und ein Faktor von 2,0 vereinbart ist, beträgt der Deckungsbeitrag 2,0-1,6 = 0,4 (als Faktor ausgedrückt; entspricht einer Marge von 0,4/2,0 = 20%). Wenn Mitarbeiter Max 10 € verdient und Mitarbeiter Moritz 15 €, dann ist der DB für Max 10 € x 0,4 = 4,00 € und bei Moritz 15 € x 0,4 = 6 € pro Stunde. Und 6 € ist höher als 4 €, das meinte der Einkäufer wohl.
Aber ist es fair? Bei der Antwort zu dieser Frage ist wieder einmal die alte Wahrheit zu bedenken, dass Deckungsbeitrag eben nicht gleich Gewinn ist. Denn vom Deckungsbeitrag müssen ja noch andere, ganz reale Kosten finanziert werden, die einfach nur "das Pech" haben, dass sie nicht so schön dem einzelnen Einsatz zugeordnet werden können wie die direkten Lohnkosten. Das sind vor allem die Gehälter der internen Mitarbeiter, aber auch der ganze Rest wie Mieten, IT, Büroeinrichtung, Kfz usw.
Und es wäre doch ein verrückter Zufall, wenn sich all diese anderen Kosten exakt proportional zu den Lohnkosten verhalten würden, oder? Im Beispiel müsste Moritz bei Dingen wie Rekrutierung, Betreuung, Ausstellung etc. genau 50% mehr Kosten verursachen als Max, damit die Rechnung wirklich aufginge,
Mit dem Faktorrechner kann jeder für sich selbst die Frage beantworten, ob das realistisch ist. Dazu wird modellhaft unterstellt, unterschiedliche Zeitarbeitsfirmen würden jeweils nur Einsätze in einem einzigen Qualifizierungsbereich anbieten und jeweils die gleiche Umsatzrendite erzielen wollen.
Wer da einige plausible Werte eingibt, sieht schnell, dass das Ganze vor allem von der Betreuungsquote der internen zu den externen Mitarbeitern abhängt. Die Kosten für die internen Mitarbeiter sind nach den Kosten für die externen Mitarbeiter der mit Abstand größte Kostenblock in der Arbeitnehmerüberlassung. Entscheidend ist daher die Frage, wie viele interne Mitarbeiter man braucht, um das jeweilige Geschäft zu betreiben. Der Faktorrechner rechnet aus, welcher Faktor nötig ist, um das vorgegebene Profitabilitätsziel zu erreichen.
Wenn z.B. bei hochklassigen Spezialisten ein Mitarbeiter typischerweise 8 externe Mitarbeiter betreut, bei Helfern dieser Wert aber bei 50 liegt, dann muss der Faktor im Spezialitätengeschäft eindeutig höher sein als im Helferbereich. Sonst lassen sich die internen Mitarbeiter schlicht nicht bezahlen, die man bei den Spezialisten braucht. Die "Preisfrage" (sogar im wörtlichen Sinn) ist also, welche Betreuungsquoten im jeweiligen Qualifikationsbereich realistisch sind und was das für die Profitabilität bedeutet. Probieren geht über studieren - geben Sie einfach mal einige Werte ein und schauen sich an, was passiert!
Die Ausgangseinstellung entspricht meinen eigenen Erfahrungen als Preismanager in der Zeitarbeit. Die Niederlassungen mit hohem Facharbeiteranteil hatten durch die Bank deutlich weniger externe Mitarbeiter pro internem Mitarbeiter als z.B. Niederlassungen, die hauptsächlich im Helferbereich unterwegs waren. Woran könnte das liegen? Mögliche Erklärungen:
Je höher die Qualifizierung, desto "kleinteiliger" wird das Geschäft. Der Top-Schweißer mit Kenntnissen in einer exotischen Schweißtechnik ist immer sein eigener Spezialfall, egal ob bei Rekrutierung, Arbeitsvertrag, Vertrieb, Betreuung oder Ausstellung. Das macht Arbeit. Im Gegensatz dazu gibt es im Helferbereich geringeren Aufwand, dort ist der Lohn immer gleich, die Arbeitsverträge auch. Den Kunden werden Helfer oft in Aufträgen mit mehreren Mitarbeitern angeboten, das spart auf den einzelnen Helfer gerechnet natürlich auch Zeit.
Je höher die Qualifizierung, desto angespannter der Bewerbermarkt. So steigen nicht nur die "out-of-pocket" Kosten im Bewerbermarketing (Anzeigen etc.), sondern es muss auch (viel?) mehr interne Arbeitszeit eingesetzt werden.
Höher qualifizierte Mitarbeiter bleiben im Durchschnitt weniger lang beim Zeitarbeitsunternehmen als Helfer. Dadurch machen sich bei ihnen die arbeitsintensiven Ein-und Ausstellungsphasen relativ stärker bemerkbar als bei den Helfern. Ob es so ist? Ganz ehrlich: keine Ahnung, hier würde mich Ihre Meinung sehr interessieren!
Persönlich habe ich überhaupt keine Zweifel, dass die marktüblichen Faktoren tatsächlich mit der Qualifikationsstufe steigen. Der Faktorrechner zeigt über unterschiedliche Kostenstrukturen eine mögliche Erklärung dafür auf. Ein weiterer Grund liegt darin, dass auch die jeweiligen Märkte anders "ticken". Bei den Höher-Qualifizierten gibt es höhere Preisbereitschaften der Kunden, die von den Zeitarbeitsunternehmen abgeschöpft werden. Auch ein sehr interessantes Thema - Blog folgt, den ich dann auch hier verlinken werde.
Was also ist die richtige Antwort für den Kunden, der einen Einheitsfaktor fordert? Ein Einheitsfaktor ist entweder zu niedrig bei den Facharbeitern/Spezialisten oder zu hoch bei den Helfern oder beides. Er führt dazu, dass nur das Helfergeschäft so bedient wird, wie der Kunde sich das wünscht. Die Facharbeiter/Spezialisten finden statt dessen Einsätze bei Kunden, die den Markt besser verstanden haben. Mit dem Preismodell "Einheitsfaktor" wird der Kunde nicht glücklich werden, garantiert!
コメント