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Writer's pictureJochen Garbers

Neues Auto für 10 Cent

Updated: Jun 9, 2021

Unsere mathematische Intuition lässt uns leider gerne im Stich. Das berühmteste Beispiel ist sicherlich die Legende vom Reiskorn und dem Schachbrett. Mit einem Reiskorn anfangen, bei jedem Feld jeweils verdoppeln und alle Reisproduzenten dieser Welt sind für die nächsten 800 Jahre ausgebucht.


Und in der Zeitarbeit? Mit 10 Ct. ein Auto kaufen ist auch einen Hauch überraschend, oder? Aber gar nicht unrealistisch. Stellen Sie sich vor: Ihre Zeitarbeitsfirma macht besseres Preismanagement und es gelingt, Preise durchzusetzen, die durchschnittlich 10 Ct. pro Stunde höher sind als das ohne dieses Preismanagement der Fall wäre. Bei .1500 Produktivstunden sind das 150 € je Zeitarbeitnehmer pro Jahr. Sagen wir einmal, die Firma hat 100 Zeitarbeitnehmer, dann sind das 15.000 € und davon kann man ein neues Auto kaufen. Nicht schlecht, oder? Es wird noch besser, wenn Sie sich klar machen, dass Sie sich aufgrund des verbesserten Preismanagements jedes Jahr ein neues Auto kaufen können. (Allerdings stellt sich dieser Effekt nicht sofort ein, weil die schon bestehenden Preise nicht über Nacht geändert werden können.)


Wenn das Zeitarbeitsunternehmen kleiner oder größer ist, ändert sich der Wert entsprechend und aus dem 15.000 € Flitzer wird ein Motorrad oder ein Rolls Royce (immer noch pro Jahr, nicht vergessen!) Übrigens: man kann diese Effekte sehr bequem mit dem Preisrechner für das eigene Unternehmen nachrechnen.


Und was ist, wenn Ihnen das Unternehmen nicht gehört und Sie "nur" für Preise verantwortlich sind, z.B. als Niederlassungsleiterin? Die Rechnung ist die gleiche - wenn Sie z.B. die Preise von 50 Zeitarbeitnehmern verhandeln, dann wären 10 Ct. mehr oder weniger eben plus/minus 7.500 €. Kein unwichtiger Punkt z.B. beim Jahresgespräch mit den Vorgesetzten. (Gilt für den "mehr"-Fall, beim "weniger" Fall Klappe halten und hoffen, dass Herr oder Frau Chef diesen Artikel nicht gelesen hat).


Zusammengefasst: in der Zeitarbeit kommt es tatsächlich auf jeden Cent an. Dass ich kalkool als solide Grundlage für das Preismanagement für eine absolute Pflicht halte, wird niemanden wundern.


Aber, auch das ist wichtig, jenseits von kalkool gibt es noch viele wichtige (und auch sehr interessante!) Aspekte. Zum Beispiel: machen Sie sich klar, dass beim Verrechnungssatz vor allem die Zahl vor dem Komma zählt. Ob 29,67 € oder 29,97 € - das wird in der Entscheidung kaum eine Rolle spielen. 30,07 € ist dagegen preispsychologisch maximal ungeschickt.


Was tun? Eine Möglichkeit besteht darin, dass Sie bewusst eine Cent-Schwelle setzen, ab der Sie Preise rauf- oder runtersetzen. Das geht so. Sie haben mit kalkool einen Preis ermittelt, der den Vorgaben entspricht und Sie wollen grundsätzlich in dieser Preisregion anbieten. 1) Wir nehmen einmal an, dass Sie die Schwelle für sich bei xx,20 € festgelegt haben. 2) Alle Preise, die unter der 20-Cent-Schwelle liegen, werden unter die nächste €-Marke gesetzt. Aus 30,06 € (liegt unter 30,20 €) wird 29,96 €, aus 23,18 € wird 22,98€ usw. 3) Alle Preise über der 20-Cent-Schwelle werden vor die nächste €-Grenze raufgesetzt: aus 24,54 € (liegt über 24,20 €) wird 24,94€, aus 26,33 € wird 26,93 € usw. (Das ist die Grundidee, lässt sich natürlich variieren...)


Was das bringt, kann man leicht ausrechnen. 20% der Preise ändern wir nach unten, davon die Hälfte um 10 Ct. und die andere Hälfte um 20 Ct. Im Durchschnitt also um 15 Ct. 70 % der Preise ändern wir nach oben, und zwar im Durchschnitt um 40 Ct. (gleiche Rechenlogik, aber mehr Zahlen). 10% der Preise ändern wir nicht (das sind die, die zufällig bei xx,9x € gelandet sind). Der Effekt beträgt also 70 % x 40 Ct. - 20 % x 15 Ct. = 25 Ct. Oder, auf das Beispiel oben bezogen, 2,5 Autos pro Jahr.


Ob wir nicht doch das ein oder andere Angebot verlieren, weil Angebote höher liegen als früher? Kann schon sein, aber wir gewinnen ja auch mehr von den Angeboten, die jetzt bewusst unter den jeweiligen Preisschwellen bleiben. Wenn es total super läuft, werden sogar mehr Angebote akzeptiert als früher und wir haben im Durchschnitt höhere Preise.


Bitte nehmen Sie also 3 Dinge mit: 1) in der Zeitarbeit zählt jeder Cent, 2) Preisschwellen beachten und 3) bei Zahlenrätseln nicht gegen Mathematiker wetten, auch wenn es nur um Reis geht.





















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