Bald ist es wieder so weit und Verrechnungssätze in der Zeitarbeit müssen angepasst werden. Was gibt es dieses Mal zu beachten?
Ich schreibe diesen Blog Anfang Juni, also etwa 4 Monate vor der nächsten Tariferhöhung in der Zeitarbeit am 1. Oktober. Meistens werden in der Zeitarbeit dann auch Preise angepasst - darum geht es in dem Blog.
Sie fragen vielleicht: nanu, ist das nicht etwas früh?
Ich denke nein. Zunächst einmal mögen es Kunden immer, frühzeitig informiert zu werden. So können Sie besser planen und budgetieren. Sie kommen als besonders verlässlicher Ansprechpartner daher, wenn Sie Ihre Informationspflicht ernst nehmen und mehr oder weniger dann informieren, wenn die Sachlage klar ist.
Preisanpassung im Oktober, Kommunikation jetzt
Außerdem gibt es einen doppelten psychologischen Nebeneffekt, der Ihnen in die Hände spielt.
Viele Kunden schieben die Preisinfo erst einmal als "nicht dringend" beiseite, denn es ist ja noch viel Zeit, bevor es losgeht.
Wenn es dann soweit ist, hat ein Gewöhnungseffekt eingesetzt. "Ach ja, die Preiserhöhung, ein alter Hut. Business as usual." Das hat zur Folge, dass die neuen Preise besonders geräuschlos akzeptiert werden.
Zwei Tariferhöhungen, eine Preiserhöhung?
Lassen Sie mich zunächst vorausschicken, dass ich hier davon ausgehe, dass die Tariflöhne bei der Entlohnung eine Rolle spielen. Wir alle wissen, dass das längst nicht immer so ist, z.B. bei außertariflichen Zulagen oder Equal Pay. Auch die Vergleichslöhne der Branchenzuschläge hebeln den Tariflohn aus, aber nur teilweise, da die Branchenzuschläge selbst aufgrund der Tariflöhne steigen. Seien Sie etwas flexibel beim Lesen und münzen Sie das Gesagte auf Ihre jeweilige Situation um.
Was ist dieses Mal besonders und sollte beachtet werden? Zunächst einmal ist besonders, dass nach der Erhöhung um 3,7% im Oktober nach nur 6 Monaten eine weitere folgt mit 3,8%. Sie sollten zumindest überlegen, ob Sie Ihren Kunden anbieten wollen, nur 1 x die Preise zu erhöhen. Das spart Arbeit und bringt interessante Effekte mit sich.
Wie würde man das rechnen?
Zunächst rechnen wir die zweite Preiserhöhung. Bitte nicht einfach die Prozentsätze addieren (3,7% + 3,8% = 7,5%), sondern multiplikativ rechnen (1+3,7%) x (1+3,8%) - 1 = 7,64 %. Bei der zweiten Preiserhöhung wird auch der Effekt der ersten miterhöht, das bleibt bei der schlichten Addition auf der Strecke. Merke: nie die Regeln der Prozentregeln verletzen, wenn es uns nützt.
Wenn wir die Preise ab 1.10. bis zum 31.12.2025 garantieren wollen, also bis 9 Monate nach der zweiten Preiserhöhung, erhalten wir
( 3,7% x 6 + 7,64% x 9 ) / (6+9), das sind etwa 6,1%
Sie können also Ihrem Kunden vorschlagen, die Preise ab 1.10. um 6,1% zu erhöhen und dann bis zum 31.12.2025 zu garantieren. Das das für beide Parteien Arbeit spart, ist klar. Was könnte noch für dieses Vorgehen sprechen?
Machen Sie sich klar, dass im Vergleich zur zweifachen Preiserhöhung Ihre Preise anfangs relativ hoch, und später relativ niedrig wären. Aus Kundensicht geht die Rechnung dann auf, wenn die Zeitarbeiter tatsächlich bis zum Preisgarantietermin 31.12.2025 bleiben. Endet der Einsatz früher, zahlen die Kunden etwas mehr als bei der zweifachen Erhöhung. Es entsteht also ein Anreiz, den Einsatz lange laufen zu lassen, und das ist in aller Regel gut für beide Parteien.
Die erhöhte Schwerbehindertenzulage gehört in die Preisverhandlung
Welche weiteren Kostenerhöhungen spielen eine Rolle?
Die Erhöhung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags am 1.1.2024 von 1,6% auf 1,7% ist zwar grundsätzlich relevant, aber gering: Bei einem Stundenlohn von 20€ entstehen ca. 18 € Mehrkosten pro Jahr für die Arbeitgeber
Eher spielt die Erhöhung der Schwerbehindertenzulage eine Rolle, die ebenfalls seit Anfang des Jahres gilt. In der höchsten Stufe werden nun 720 € statt 360 € monatlich pro Pflichtarbeitsplatz (5% der Arbeitsplätze) fällig. Die Erhöhung kommt auf 216 € pro Jahr pro Arbeitsplatz. Auch wenn Sie Schwerbehinderte beschäftigen, sollten Sie stets die Kosten der höchsten Stufe kalkulieren. So oder so entstehen Kosten - ob nun für die Zulage oder die besonderen Bedingungen bei der Beschäftigung Schwerbehinderter. Bei 35 Stunden pro Woche, 80% produktiven Stunden und einem SVS von 25 € wäre eine Preissteigerung von 0,6% gerechtfertigt. Ich schreibe die Rechnung einmal auf, falls Sie mit einem anderen SVS rechnen wollen: 216 € / (25 € x Produktivstunden im Jahr); Produktivstunden als Daumenregel = 35 Wochenstunden x 52 Wochen pro Jahr x 80% produktive Zeiten
Ein schwieriges Thema: der Trend bei den Krankheitszeiten
Ein wie immer schwieriges Thema in der Zeitarbeit sind die Krankheitszeiten. Die Krankenkassen melden einen Höchststand nach dem anderen. (Link). Wie hoch sind die zusätzlichen Krankheitstage bei Ihren Zeitarbeitnehmern, seitdem Sie mit den Kunden über das Thema geredet haben? Ein zusätzlicher Tag kostet ca. 0,5% Umsatz pro Jahr. Entgangener Umsatz ist hier identisch mit verlorenem Gewinn, denn unsere Kosten bleiben gleich. Um den Gewinnverlust aus 2 zusätzlichen Krankheitstagen auszugleichen, ist also rein rechnerisch eine Preisanpassung um 1% erforderlich.
Das ist unsere Sicht der Dinge - steigende AU-Zeiten sind ein erheblicher Kostentreiber. Leider ist es keine Kostensteigerung, die den Kunden irgendeinen Wert einbringt. Ganz im Gegenteil, unproduktive Zeiten sind auch für die Kunden ein Ärgernis und verursachen Dispo-Aufwand. Mein Tipp: bringen Sie das Thema auf die Agenda. Sogar wenn daraus wenig direkt "Zählbares" herauskommt, haben Sie doch zumindest klargemacht, dass Sie - für Ihre Kunden - hier eine erhebliche Last schultern. Das spielt in einer Preisverhandlung immer eine Rolle und ein Entgegenkommen an anderer Stelle werden Sie unter diesen Umständen auf keinen Fall akzeptieren.
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einen Musterbrief an die Hand geben, den ich mit Hilfe von Chat GPT erstellt habe. Das soll nur eine Anregung für Sie sein, um den Stein ins Rollen bringen. Jeder hat seinen eigenen Stil und den für jede Situation bzw. Kunden perfekten Brief gibt es einfach nicht. Sollten Sie die Variante mit der Preisgarantie bis 31.12.2025 wählen, müssen Sie beide Tariferhöhungen nennen und den Brief entsprechend etwas umformulieren.
Musterbrief mit zwei Seiten
Bewährt hat sich bei dem Brief, dass die eigentlichen Details auf eine zweite Seite verbannt werden. Hier können Sie dann die Informationen bringen, die die Kunden brauchen, insbesondere natürlich die neuen Verrechnungssätze. Viel Erfolg!
Sehr geehrte/r Frau/Herr [NAME ANSPRECHPATNER],
mit diesem Schreiben möchten wir Sie über eine notwendige Preisanpassung [ggf. um x%] informieren, die zum 1. Oktober 2024 in Kraft treten wird. Diese Anpassung ist eine Reaktion auf mehrere Faktoren, die unsere Kostenstruktur erheblich beeinflussen.
Erhöhung der Tariflöhne um 3,7%: Diese Maßnahme stellt sicher, dass unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter eine faire und wettbewerbsfähige Vergütung erhalten.
Erhöhung der Schwerbehindertenabgabe ab dem 1. Januar 2024: Die Schwerbehindertenabgabe wurde erhöht. Diese Abgabe ist ein Bestandteil der Lohnkosten und somit relevant für unsere Kalkulation.
Ungünstige Entwicklung bei den Arbeitsunfähigkeitszahlen (AU): Wie Sie wissen, zahlen Sie nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden unserer Arbeitnehmer. Dieser Service führt in der aktuellen Situation deutlich gestiegener Krankheitsstände zu einem hohen Kostendruck bei uns. Leider sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir diese Kosten wenigstens zum Teil weitergeben müssen
Um die Qualität unserer Dienstleistungen weiterhin auf einem hohen Niveau halten zu können und die genannten Kostensteigerungen auszugleichen, ist eine Preisanpassung unvermeidlich. Die Details entnehmen Sie bitte der Folgeseite.
Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis und die fortgesetzte Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen,
[Ihr Name][Ihre Position][Ihr Unternehmen][Kontaktinformationen]
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