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Writer's pictureJochen Garbers

Ritueller Kampf in der Preisverhandlung

Updated: Dec 5


Zwei Hirsche kämpfen gegeneinander als Symbol für Preisverhandlungen
Keine Angst vor Preisverhandlungen

Röhren, Parallelmarschieren und Geweihkampf - das sind die Phasen beim ritualisierten Paarungskampf der Rothirsche. Es gibt einige erstaunliche Parallelen zu Preisverhandlungen...


Schon im letzten Blog habe ich meine Meinung kundgetan, dass Argumente in einer Preisverhandlung eigentlich gar nicht so wichtig sind. Ich war immer wieder überrascht, wie lange solche Verhandlungen rein verbal, d.h. ohne Zahlen, dahinplätschern können. Das finde ich bemerkenswert. Wenn ein Preis diskutiert wird, dann geht es ja nicht um "ja-nein"-Fragen, sondern um "wieviel"-Fragen, und die brauchen eigentlich immer Zahlen, damit eine Aussage dabei herauskommt. "Wir haben viel mehr Krankheitstage als früher" sagt noch gar nichts, aber "unsere Krankheitsquote ist um 2%-Punkte im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit gestiegen und daher fehlt uns jetzt 2% Umsatz. Weil unsere Kosten unverändert sind, schlägt das 1:1 auf unsere Umsatzrendite durch, die um 2 %-Punkte um 40% gesunken ist". Das wäre immerhin eine Aussage, obwohl auch hier offen bleibt, wie problematisch das neue Niveau der Umsatzrendite ist.


Verstehen Sie mich aber nicht falsch: ich will Sie ganz und gar nicht dazu überreden, in der nächsten Preisverhandlung mit Zahlen um sich zu werfen. Dadurch wird die Verhandlung nicht besser. Es geht mir nur darum, dass die ausgetauschten "Argumente" meistens nur wenig Aussagekraft haben. Sie gehören zum Spiel dieser ritualisierten Auseinandersetzung und haben auf das Ergebnis wenig Einfluss.


Preisverhandlung ist nicht "win-win"


Ein weiteres Missverständnis besteht darin, dass es auch in einer Preisverhandlung darum geht, "win-win" Situationen zu schaffen. Unsere Zusammenarbeit mit dem Kunden ist sicher "win-win", sonst würde das Geschäft überhaupt nicht erst zustande kommen. Aber das Festlegen des konkreten Preises, zu dem das Geschäft zusammenkommt, ist in aller Regel nicht "win-win". Ein niedriger Preis ist schlecht für uns und gut für die Kunden und vice versa, das ist ein Fakt. Gelegentlich kann man diese Logik mit Angeboten wie "mehr Umsatz - besserer Preis" teilweise durchbrechen, aber der grundsätzliche Punkt bleibt.

Schmusekurs und Preisverhandlung passen nicht gut zusammen

Das ist auch der Hintergrund dieser Karikatur im Blog "Tipps zu Tarif- und Preisanpassung Zeitarbeit 2024". Schmusekurs ist nicht der richtige Weg in der Preisverhandlung. Das ganze Jahr über dürfen Sie "Betreuer" Ihres Kunden sein und hohe Kundenzufriedenheit anstreben. Ein breites, 100%ig zufriedenes Grinsen Ihres Kunden nach der Preisverhandlung ist aber eindeutig zu viel des Guten.


Was können wir also von den Rothirschen lernen? Hart, aber fair zu kämpfen!


Phase 1: das Röhren.


Hier geht es um die Beeinflussung des Gegners, bevor die eigentliche Preisverhandlung begonnen hat. Das Phänomen ist auch unter dem Namen Preisanker bekannt. Wer das noch nicht kennt, sollte sich dringend per Link schlau machen. In der Regel zahlt es sich aus, als erster zu röhren, d.h. einen Preis als Verhandlungsgrundlage zu nennen. Der zuerst genannte Preis hat laut Studien erheblichen Einfluss auf das finale Verhandlungsergebnis.*


Phase 2: das Parallelmarschieren


Entspricht dem schon oben beschriebene Austausch von "Argumenten". Gehört dazu, aber die Argumente selbst sind eher weniger wichtig. Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Rothirschen: es kommt vor allem darauf an, gut auszusehen. Also ganz klassisch: selbstbewusst, freundlich, in der Sache auf den Punkt. Das beste Drehbuch für diese Phase kommt von dem Buch "Never split the difference", das ich in einem früheren Blog zusammengefasst habe. Für ein gutes Ergebnis kommt es sehr viel weniger auf Rhetorik an, als Sie denken.


Phase 3: der Geweihkampf


Die letzte, entscheidende Phase in einer schwierigen Verhandlung. Können Sie dem Druck der anderen Seite standhalten?


Es wird Ihnen einfacher fallen, wenn Sie sich über Ihre Aufgabe im klaren sind. In der Zeitarbeit machen Centbeträge einen riesigen Unterschied aus. Bei einer Umsatzrendite von 3% machen 1% mehr oder weniger bei den Preisen 1/3 des Gewinns aus (=1%/3%). Es gibt - wenn überhaupt - kaum Verhandlungsspielraum. Denken Sie an die Zeitarbeitsfirmen, die jedes Jahr aufgeben und überlegen Sie, ob Sie dazugehören wollen.


Auch Sie als Lieferant haben Alternativen


Oft wird auch die eigene Verhandlungsposition unterschätzt. Auch Sie haben Alternativen und können zumindest zukünftige Zeitarbeitnehmer zu anderen Kunden schicken, die bessere Verrechnungssätze zahlen und so letztlich auch bessere Löhne ermöglichen. Außerdem: malen Sie sich einmal aus, was bei Ihrem Ansprechpartner los ist, wenn tatsächlich keine Einigung erzielt wird. Das wäre sicher auch ein "GAU" für die andere Seite.


Und wenn der Kunde trotzdem droht, die Geschäftsbeziehung bei dem geforderten Preis abzubrechen? Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist es ein Bluff;

dann zahlt sich hart bleiben aus. Oder der Kunde meint es tatsächlich ernst. Dann stellt sich die Frage, ob diese Kundenbeziehung gut für die eigene Firma ist. Beherzigen Sie das Motto "Schneiden und Wachsen" und sortieren Sie Kunden aus, die Ihre Dienstleistung nicht ausreichend honorieren wollen.


Die Erfahrung zeigt aber, dass es dazu nur selten kommt. Sofern Sie sich an die allgemein üblichen Benimmregeln halten, ist es sozusagen ausgeschlossen, dass Sie eine entschlossen geführte Preisverhandlung bereuen werden. Genau das kann man übrigens auch gut von den Rothirschen lernen, die bei allem Kampf doch sehr darauf bedacht sind, sich nicht gegenseitig zu verletzen.


Ich bleibe bei dem Spruch, mit dem ich dieses Thema immer beende. Die schlechteste Preisverhandlung ist die, der Sie aus dem Weg gegangen sind, Also eine Preisverhandlung, die Sie gar nicht oder nur halbherzig geführt haben.


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*First Offers as Anchors: The Role of Perspective-Taking and Negotiator Focus" by Adam D. Galinsky and Thomas Mussweiler. Published in the Journal of Personality and Social Psychology in 2001,








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