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Writer's pictureJochen Garbers

Woran erkennt man zu hohe oder zu niedrige Preise?

Bei Fliegern gibt es den Spruch: "runter kommen sie immer". Bei Preisen könnte man es ähnlich zuspitzen. "Falsche Preise fallen immer auf, spätestens dann, wenn das Unternehmen in Konkurs geht". Das gilt zumindest bei "sehr" falschen Preisen, die ein Unternehmen in ernste Schwierigkeiten bringen können.


Nehmen wir zuerst den Fall zu hoher Preise. Wie können Sie feststellen, ob Ihr Unternehmen zu hohe Preise fordert?


Problem Nr. 1: zu hohe realisierte Preise gibt es eigentlich nicht. Preisforderungen können zu hoch sein, aber wenn ein Preis zustande kommt, dann war er eben für die andere Seite akzeptabel und somit nicht zu hoch. Zu hohe Preise sind also in gewissem Sinne unsichtbar. Sie führen dazu, dass lukratives Geschäft fehlt, das sonst vorhanden wäre. Sie können die Preisdaten Ihres Unternehmens noch so sehr ausquetschen: die Antwort auf die Frage "sind unsere Preise zu hoch?" werden Sie dort nicht finden.


Ist der hohe Preis tatsächlich das Problem?


Man sollte denken, dass dieses Problem schnell bemerkt wird, weil die Folgen zu hoher Preise - wegbrechendes Bestandsgeschäft, zu wenig Neukundengeschäft - relativ offensichtlich sind. Hier kommt Problem Nr. 2, denn im wirklichen Leben ist das gar nicht ganz so einfach. Liegt der Umsatzrückgang tatsächlich an zu hohen Preisen oder ist das nur Zufall? Oder sind ganz andere Ursachen ausschlaggebend? Hohe Preise können durchaus passen, wenn die Kunden dafür exzellenten Service erhalten und das auch wahrnehmen. Solange Bestandskunden top betreut werden und passende, attraktive Angebote schnell an Interessenten geschickt werden, ist eine Prämie gegenüber der Konkurrenz durchaus drin. Die "Preis-"Frage lautet also: warum sind die Kunden nicht (mehr) bereit, den geforderten Preis zu zahlen? Sind Service und Angebote nicht so gut, wie wir dachten? Fall das so ist, dann sollten wir daran ansetzen, und nicht am Preis.


Man sieht also: die Frage "sind unsere Preise zu hoch?" ist gar nicht so leicht zu beantworten. In der Realität machen wir uns aber einfach und antworten im Regelfall mit "ja". Bei den Kunden liegt das auch auf der Hand. Auch wenn Sie guten Service - natürlich! - extrem wertschätzen und daher höhere Preise akzeptieren würden, werden sie das nicht zugeben. Denn der tolle Service ist ja noch toller, wenn er billig eingekauft wird, nicht wahr?


Die bequeme Antwort: "Preis ist zu hoch"


Aber auch auf der Gegenseite ist die Einschätzung "Preis ist zu hoch" sehr beliebt, da sie deutlich bequemer ist als andere Erklärungen. Wer mag schon zugeben, dass beim Service geschludert wird, die Akquise lauwarm betrieben wird oder Angebote mit Rechtschreibfehlern rausgehen? "Preis zu hoch" ist da deutlich einfacher, denn es übersetzt sich in "kann nichts dafür".


Wie kann man also überprüfen, ob Preise zu hoch sind? Der erste Schritt besteht darin nachzuhalten, wie viele Angebote akzeptiert werden. Wenn alle Angebote akzeptiert werden, ist der Preis vermutlich zu niedrig. Besonders interessant ist es, die Ablehnungen einer Post-Mortem-Analyse zu unterziehen. Woran lag es? Am Preis oder passte etwas anderes nicht? Dann, ganz wichtig, sollte man diese Informationen besprechen und bewerten. Besteht Änderungsbedarf bei der Preispolitik? Nachdem Sie diesen Artikel gelesen haben, werden Sie hoffentlich der Analyse "ja, unsere Preise sind zu hoch" genau auf den Zahn fühlen. Kein leichter Job und definitiv Chefsache.


Das Thema "Preise zu hoch" ist ein absoluter Dauerbrenner in allen Unternehmen, in denen ich bisher gearbeitet habe oder die ich beraten habe. Man braucht sich nicht zu sorgen, dass es auf die Agenda kommt, das passiert ganz von allein. Bei zu niedrigen Preisen herrscht dagegen erst einmal Stille. Man muss als Unternehmer schon selbst dafür sorgen, dass ein rotes Lämpchen leuchtet, wenn sich Vertrieb und Kunden auf nicht ausreichende Preise einigen wollen.


Einfach nur ärgerlich: "wir streben Faktor x an"


Im Klartext: man braucht klare Preisregeln, welche Preise bzw. Faktoren bei welcher Art von Geschäft erwartet werden und wie viel Ermessensspielraum die Verhandler haben, wenn sie diese Regeln auslegen. Diese Regeln müssen zwei Anforderungen erfüllen, nämlich 1.) sämtliche Kosten nachhaltig decken und 2.) die Preisbereitschaft der Kunden abschöpfen. In der Zeitarbeit bedeutet das, dass der Faktor zum jeweiligen Geschäft passen muss. (Mehr zu diesem Thema hier und hier.)


Die Kundenbetreuer bzw. Verhandler müssen diese Regeln 1.) kennen und 2.) anwenden können. Die Praxis ist da leider oft ganz anders, es gibt z.B. nur diffuse, undifferenzierte Botschaften wie "wir streben Faktor x an". Faktor x für jede Art von Einsatz? Und was passiert, wenn Faktor x nicht erreicht wird? Das ist keine Führung, sondern in eine Gummi-Aussage gepackte Ratlosigkeit. Auch immer wieder gerne genommen: die Preismacher sind schlicht nicht in der Lage, einsatzbezogene Kosten in den Stundenverrechnungssatz umzurechnen und lassen sie daher bei der Kalkulation einfach als "unbedeutend" weg. Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Einsatz später tiefrot wird. Ohne ein gutes Preistool geht es einfach nicht. Es stellt sicher, dass die Preisregeln bekannt sind und angewendet werden können.


Ist das schon die Antwort auf das gefährliche Phänomen zu niedriger Preise? Klare Preisregeln im guten Tool und fertig? Ich fürchte nein. Denn es wird immer wieder Fälle geben, in denen nach Ausnahmen gerufen wird und unternehmerisch zu entscheiden ist, ob man sie zulässt oder nicht. Es wird also Preise geben, die nicht 100% den Preisregeln entsprechen und trotzdem die Kategorie "richtig" für sich beanspruchen dürfen.


Immer wieder wird beim Preis nach Ausnahmen gerufen


Manche(r) wird sich jetzt fragen: "warum habe ich denn überhaupt Preisregeln gemacht, wenn ich dann Ausnahmen zulasse - dann hätte ich es doch gleich sein lassen können?" Ich denke nein, denn in diesem Fall haben Preisregeln und Tool schon einmal einen sehr wichtigen Dienst erwiesen, indem sie überhaupt erst die Ausnahme provoziert haben. Egal, welcher Preis zum Schluss herauskommt: durch den Ankereffekt wird er höher sein als wenn es die Preisregel nicht gegeben hätte.


Und es gibt ohne Frage gute Gründe, auch mal Ausnahmen zuzulassen. Der Auftrag ist "strategisch wichtig", d.h. soll zu weiteren Aufträgen führen, ungewöhnlich hohes Volumen oder ungewöhnlich lange Einsätze usw. Das ist auf jeden Fall das, was man von den Einkäufern hört, und in einigen Fällen wird es auch stimmen.


In welchen Fällen man Ausnahmen zulässt und wie weit man zu gehen bereit ist, bleibt eine der schwierigsten Fragen in der Preispolitik. Einfache Antworten gibt es nicht, es bleibt eine Abwägungsfrage. Das ist aber ein Thema für einen späteren Artikel, den ich dann auch hier verlinken werde.


Im realen Leben gibt weder die perfekte Preispolitik noch den optimalen Preis. Aber man kann schon einiges dafür tun, dass sich das Unternehmen in die richtige Richtung bewegt. Jeder Schritt zählt und lohnt sich.








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